1
Lauernd sitzt der Jäger und versonnen,
hofft für seinen Bogen schnelles Wild,
immer höher und in Gold versponnen
zeigt nach Süden schon der Sonne Bild.
Doch vergebens: an verborgner Stelle
ruht das Wild sich aus an kühler Quelle.
Lange sitzt der Jäger auf der Lauer;
in der Dämmrung kommt ein Zeichen oft,
harrt des ganzen Sonnenbogens Dauer.
Da erscheint das Glück, das er erhofft:
Ach, kein Wild, des Falters leichte Schwinge,
und ein Mädchen folgt dem Schmetterlinge.
"Bunter Falter, Schmetterling, so golden!
Komm und sitz auf meinen Händen still;
führ mich auch, wenn du es willst, zur holden
Sonne, die schon untergehen will."
Sagt's und eilt so, wie die Rehe ziehen,
leicht und zärtlich ist des Mädchens Fliehen.
"Gott!" Auf springt der Jäger wie besessen,
"Königlich ist dieses Wild!" Und er
eilt beflügelt gleich und selbstvergessen
diesem schönen Mädchen hinterher.
Jäger, Mädchen, Falter - um die Wette
schließen sie des reinen Scherzes Kette.
"Hab ich dich!" Das Mädchen ruft's voll Freude,
und sie hascht den bunten Schmetterling.
"Hab ich dich!" Der Jäger fängt die Beute,
wie er niemals eine schönre fing.
Und das Mädchen läßt den Falter fliegen,
sich vom Strahl des schönen Augs besiegen.
2
Steht wohl noch Peterdis Haus, des stolzen
Kriegers, wird er noch am Leben sein?
Ja. Doch seine Habe ist geschmolzen,
und beim Becher sitzt der Greis allein.
Sitzt das Mädchen mit dem Gast zusammen,
hell in seinen Augen brennen Flammen.
Für Hunyadi, aller Knechtschaft Rächer,
für der Heimat unvergeßnen Sohn,
funkelte schon immer hoch der Becher,
fiel des alten Kämpfers Träne schon;
heut die Tränen - einst das Blut vergossen
dort bei Belgrad mit den Kampfgenossen.
"Meines toten Feldherrn Sprößling, lange
leb der König!" spricht der Greis gerührt.
Doch dem Jäger steigt das Blut zur Wange,
und sein Humpen steht noch unberührt.
"Warum steht dein Humpen auf der Stelle?
Nimm ihn, Sohn, und folg dem Vater schnelle.
Zweimal könntest du mich Vater nennen,
und für Schufte tränk ich nicht so gut;
doch ein Mann ist jener, den wir kennen,
niemals schändet er solch Heldenblut!"
Würdig steht der Jüngling, um mit Beben
den gefüllten Becher zu erheben.
"Den du eines Helden Sproß geheißen,
leb, solang er lebt fürs Vaterland!
Doch sein Lebensfaden soll zerreißen,
ist er je der Heimat abgewandt;
denn ein König, bös und ohne Würde,
ist ein Lump und seines Volkes Bürde."
Immer lauter, schneller ging die Stunde
unter ständigem Gespräch dahin.
Und begeistert an des Fremden Munde
hing das Mädchen mit erglühtem Sinn.
Wer wohl mag er sein, wo mag er leben?
Dachte sie und konnt nicht Antwort geben.
"Du, der Wälder schöne Blume, klingen
soll für dich der Becher fort und fort.
Mög dich Gott dereinst nach Buda bringen,
wartend findet ihr den Jäger dort;
denn in Buda, in dem hochgelegnen
Hof des Königs sollt ihr mir begegnen."
So nimmt Abschied er aus ihrer Mitte,
Hörnerklang ruft ihn zu seiner Schar,
auf kein gutes Wort, auf keine Bitte
kann er bleiben, wo zu Gast er war.
"Wisse, Jäger, unsre Tür steht offen,
auf Gastfreundschaft kannst du hier stets hoffen",
spricht bescheiden Schön Ilonka, züchtig
sucht sie auf der letzten Stufe Halt,
auf die Stirne küßt der Mann sie flüchtig,
wandert dann durchs Mondlicht in den Wald.
Still ist nun das Haus, doch ohne Frieden
bleibt die Liebe, von der Ruh gemieden.
3
Bald Peterdi mit der reizend holden
Enkelin macht sich nach Buda auf;
staunend geht er diesen Weg, und golden
steigt vor ihm ein neues Land herauf.
Doch das Mädchen denkt nur an die Stunde,
die ihr bringt vom Jäger frohe Kunde.
Und in Buda: Freude, Festgepränge,
heute kehrt der König heim vom Sieg,
mußt in seinem Zorne Wien bedrängen,
Rache übte er in seinem Krieg.
Manches Herze klopft vor Freude schneller.
Doch Ilonkas Auge wird nicht heller.
Wo ist er, der Freundlich-Unbekannte,
welche Wendung bracht ihm sein Geschick?
Ist er fern? Ist er im Heimatlande?
Sucht im Wald er bei der Pirsch sein Glück?
Und so bangt sie sehr nach einem Zeichen,
schwankend vom Erröten zum Erbleichen.
Und mit kriegerischen Mienen reiten
Ujlaki, die Garas, nun versöhnt.
Und der König kommt, den sie begleiten,
den die Heldenväter einst gekrönt.
Und der Greis erkennt: Dem er begegnet,
ist Matthias - "Und er sei gesegnet!"
"Glanz soll, Segen auf sein Leben fallen!"
Jeder ruft den Namen auf einmal,
hundertfach hört man ihn widerhallen
in den Mauern, über Berg und Tal.
Schön Ilonka steht in bleichem Schrecken,
möchte stumm und eilig sich verstecken.
"Nach dem Jäger bei Matthias sehen,
schönes Töchterlein, was soll's, wozu?
Laß uns wieder in die Wildnis gehen;
Unser kleines Heim dort gibt uns Ruh."
So der Greis, er kennt der Leiden Maße.
Heimwärts geht das Paar die Kummerstraße.
Hast du eine Blume einst gesehen,
die sich beugt in unbekanntem Leid:
So, in Furcht vor allem Weltgeschehen,
welkt Ilonka hin lang vor der Zeit.
Liebe glüht in ihr durch leere Stunden,
aber jede Hoffnung ist geschwunden.
Lilie, früh dem Welken preisgegeben,
Bild der Unschuld und der Traurigkeit:
Voller Qual ging hin ein junges Leben,
schön Ilonka war zum Tod bereit.
Als der König kommt, steht leer das Haus:
Beide ruhn sie in der Heimat aus.