Kertész Imre: Galeerentagebuch (Gályanapló Német nyelven)
Gályanapló (Magyar)
(Részletek) |
Galeerentagebuch (Német)
(Auszüge)
Um Erlöser – keineswegs der »Menschheit«! – lediglich seines eigenen Lebens sein zu können, um sich für das eigene Leben Absolution erteilen zu können, ist ein volles, unsagbar intensives und von ständiger innerer Arbeit erfülltes Leben notwendig. Der Mensch hat ein grauenhaftes Leben – die Geschichte –, und er hat die Erzählung von der Welt, mächtig und viel weiser als er, in der er zur Gottheit, zum Magier wird; und diese Erzählung ist genauso ein Wunder, wie sein geschichtliches, «reales» Leben etwas Unglaubliches ist. 11. August Alles hat ein Ende, und alles begann von vorn; doch es begann anderswo und führt vielleicht anderswohin. Vorgestern nacht auf dem Balkon, ein kühler Wind, das große, wolkenförmige, dunkle Laubdach der Bäume in der Pasareti-Straße, darunter die schummrige Beleuchtung – für einen Moment war mir, als sei es nicht die vertraute Alptraumstadt. Tiefe, tiefe Melancholie, Erinnerungen, als umgebe mich dei Vergänglichkeit, voll Banalität, voll Wirklichkeit, voll langweiliger Wahrheit, wie der Tod. L., der Schriftsteller, der die Literatur relativ auffaßt. Im Gegensatz zu Schönberg, nach dessen Ansicht Wahrheit für die Kunst genügt, muß die Kunst L. zufolge dem Überleben dienen, denn, sagt er, wenn wir die nackte Wahrheit erblicken, bleibt uns nichts anderes übrig, als uns aufzuhängen – oder vielleicht den, der uns die Wahrheit gezeigt hat. Keine ganz ungewöhnliche Haltung; es würde mich nicht wundern, wenn sich herausstellte, daß L. Familienvater ist und das, was er tut, nur für die Zukunft seiner Kinder tut. Nur daß relative Literatur immer schlechte Literatur und nichtradikale Kunst immer mittelmäßige Kunst ist: Der wirkliche Künstler hat keine andere Chance, als die Wahrheit zu sagen und die Wahrheit radikal zu sagen. Deswegen kann er trotzdem am Leben bleiben, denn die Lüge ist nicht einzige und ausschließliche Bedingung des Lebens, selbst wenn viele keine sonstigen Möglichkeiten sehen. In letzter Zeit stelle ich mir häufig etwas vor, eine unklare Gestalt, ein menschliche; Wesen, einen alterslosen, freilich eher alten oder doch älteren Mann. Er kommt und geht, erledigt seine Dinge, lebt sein Leben, leidet, liebt, verreist, kehrt heim, manchmal ist er krank, manchmal geht er schwimmen, zu Bekannten oder Karten spielen; zwischendurch jedoch, sobald sich eine freie Minute findet, öffnet er die Tür einer versteckten Zelle, stetzt sich rasch – und gleichsam zerstreut – vor ein schäbiges Instrument, schlägt einige Akkorde an und beginnt dann halblaut zu improvisieren, eine weitere von inzwischen zahllosen Variationen des seit Jahrzehnten gespielten, immer gleichen Themas. Kurz darauf springt er auf, muß gehendoch sobald sich wieder freie Zeit findet, sehen wir ihn abermals vor dem Instrument, als sei sein Leben nur die notgedrungene Unterbrechung zwischen zwei Spielen. Würden die Töne, die er dem Instrument entlockt, aufstehen und, gleichsam ineinander verdichtet, in der Luft gefrieren, würden wir vielleicht ein Eiskristallgebilde erblicken, an eine verkrampfte katatonische Bewegung erinnernd, worin, bei genauerer Betrachtung, zweifellos die Hartnäckigkeit einer Ausdrucksabsicht zu erkennen wäre, wenn auch nur die der Monotonie; setzten wir sie gar in Noten, könnten wir vermutlich die Umrisse einer sich mehr und mehr verdichtenden Fuge herauslösen, die immer entschlossener zu ihrem Ziel durchbricht, dabei aber dieses Ziel immer weiter fortschiebt, fortstößt von sich, und so wird es dennoch immer ungewisser. – Für wen spielt er? Warum spielt er? Er weiß es selbst nicht. Zudem – und das ist das Merkwürdigste daran – kann er nicht einmal hören, was er spielt. Als habe ihm die gespenstische Kraft, die ihn wieder und wieder an sein Instrument zwingt, das Gehör geraubt, damit er allein für sie spiele. – Ob jedoch sie ihn wenigstens hört? (Die Frage, sehen wir es ein, ist sinnlos, aber den Spieler müssen wir uns natürlich glücklich vorstellen.) |